Danach

 

  Es wird nach einem happy end
  im Film jewöhnlich abjeblendt.
  Man sieht bloß noch in ihre Lippen
  den Helden seinen Schnurrbart stippen-
  da hat sie nun den Schentelmen.
  Na,und denn-?

  Denn jehn die beeden brav ins Bett
  Naja.....diß is ja auch janz nett.
  A manchmal möchte man doch jern wissen:
  Wat tun se, wenn se sich nich kissen?
  Die könn ja doch nich immer penn.....!
  Na, und denn-?

  Denn säuselt im Kamin der Wind.
  Denn kricht det junge Paar 'n Kind.
  Denn kocht se Milch. Die Milch looft üba.
  Denn macht er Krach.Denn weent sie drüba.
  Denn wolln sich beede jänzlich trenn.....
  Na, und denn-?

  Denn is det Kind nich uffn Damm.
  Denn bleihm die beeden doch zesamm.
  Denn quäln se sich noch manche Jahre.
  Er will noch wat mit blonde Haare:
  vorn doof und hinten minorenn....
  Na, und denn-?

  Denn sind se alt.
  Der Sohn haut ab.
  Der Olle macht nu ooch bald schlapp.
  Vajessen Kuß und Schnurrbartzeit-
  Ach, Menschenskind,wie liecht det weit!
  Wie der noch scharf uff Muttern war,
  det is schon beinah nich mehr wahr!
  Der olle Mann denkt so zurück:
  wat hat er nu von seinen Jlück?
  Die Ehe war zum jrößten Teile
  vabrühte Milch und Langeweile.
  Und darum wird beim happy end
  im Film jewöhnlich abjeblendt.

 

Tucholsky

 

 

 

Romanze vom nützlichen Soldaten

Rieke näht auf die Maschine;
Nischke ist bei´s Militär,
Dennoch aber ließ sie ihne
Niemals nahe bei sich her.

Wozu, fragte sie verächtlich,
Wozu hilft mich der Soldat,
Wenn man bloß durch ihn hauptsächlich
So viel hohe Steuern hat?

Einstmals ging sie in das Holze,
Nischke wollte gerne mit;
Aber nein, partu nicht wollt se,
Daß er ihr dahin beglitt.

Plötzlich springt aus das Gebüsche
Auf ihr zu ein alter Strolch;
Stiere Augen, wie die Fische,
Kalte Hände, wie der Molch.

Runter, schreit er, mit die Kleider,
Denn sie lebt in Überfluß,
Da ich ein Fabrikarbeiter,
Der sich was verdienen muß.

Weinend fällt das Kleid und Röckchen,
Zitternd löst sich der Turnür,
Nur ein kurzes Unterglöckchen
Schützt vor Scham und Kälte ihr.

Bauz! Da fällt ein Schuß mit Schroten.
Fluchend lauft der Vagabund
Mit verletztem Hosenboden
In des Waldes Hintergrund.

Das tat Nischke, der trotz allen
Rieken heimlich nachgeschleicht,
Die sich unter Dankeslallen
Jetzt um seinen Hals verzweigt.

0 ihr Mädchens, laßt euch raten,
Ehrt und liebet den Soldat;
Weil er sonst vor seine Taten
Nicht viel zu verzehren hat.

 

W.Busch

 

 

                                                                                                                    

 
Ruf zum Sport
 
 
 
Auf, ihr steifen und verdorrten
Leute aus Büros,
reißt euch mal zum Wintersporten
von den Öfen los.
Bleiches Volk an Wirtshaustischen,
stellt die Gläser fort.
Widme dich dem freien, frischen
frohen Wintersport.
Denn er führt ins lodenfreie
Gletscherfexlertum
und bedeckt uns nach der Reihe
all mit Schnee und Ruhm.
Doch nicht nur der Sport im Winter,
jeder Sport ist plus,
und mit etwas Geist dahinter
wird er zum Genuß.
Sport macht Schwache selbstbewußter,
Dicke dünn, und macht
Dünne hinterher robuster,
gleichsam über Nacht.
Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine,
kürzt die öde Zeit,
und er schützt uns durch Vereine
vor der Einsamkeit.
Nimmt den Lungen die verbrauchte
Luft, gibt Appetit;
was uns wieder ins verrauchte
treue Wirtshaus zieht.
Wo man dann die sporttrainierten
Muskeln trotzig hebt
und fortan in Illustrierten
Blättern weiterlebt.
 
Ringelnatz
 
 
Der Revoluzzer
 
War einmal ein Revoluzzer,
Im Zivilstand Lampenputzer;
Ging im Revoluzzerschritt
Mit den Revoluzzern mit.

Und er schrie: „Ich revolüzze!“
Und die Revoluzzermütze
Schob er auf das linke Ohr,
Kam sich höchst gefährlich vor.

Doch die Revoluzzer schritten
Mitten in der Straßen Mitten,
Wo er sonsten unverdrutzt
Alle Gaslaternen putzt.

Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
Aus dem Straßenpflaster aus,
Zwecks des Barrikadenbaus.

Aber unser Revoluzzer
Schrie: „Ich bin der Lampenputzer
Dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!

Wenn wir ihn’ das Licht ausdrehen,
Kann kein Bürger nichts mehr sehen,
Laßt die Lampen stehn, ich bitt!
Denn sonst spiel’ ich nicht mehr mit!“

Doch die Revoluzzer lachten,
Und die Gaslaternen krachten,
Und der Lampenputzer schlich
Fort und weinte bitterlich.

Dann ist er zuhaus geblieben
Und hat dort ein Buch geschrieben:
Nämlich, wie man revoluzzt
Und dabei doch Lampen putzt.

Erich Mühsam“
 
 
 

Hans der Schwärmer


Hans Töffel liebt Schön Doris sehr,
Schön Doris Hans Töffel vielleicht noch mehr.
Doch seine Liebe, ich weiß nicht wie,
ist zu scheu, zu schüchtern, zu viel Elegie.
Im Kreise liest er Gedichte vor,
Schön Doris steht unten am Gartentor:
ach, käm‘ er doch frisch zu mir hergesprungen,
wie wollt‘ ich ihn herzen, den lieben Jungen.
                Hans Töffel liest oben Gedichte.

Am andern Abend, der blöde Tor,
Hans Töffel trägt wieder Gedichte vor,
was Schön Doris wirklich sehr verdrießt,
da er immer weiter und weiter liest.
Sie schleicht sich hinaus, er gewahrt es nicht;
just sagt er von Heine ein herrlich Gedicht.
Schön Doris steht unten in Rosendüften
und hätte so gern seinen Arm um die Hüften.
                Hans Töffel liest oben Gedichte.

Am andern Abend ist großes Fest,
viel Menschen sind eng aneinander gepresst.
Heut muss er’s doch endlich sehn, der Poet,
wenn Schön Doris sacht aus der Türe geht.
Der Junker Hans Jürgen, der merkt es gleich;
die Linden duften, die Nacht so weich.
Und unten im stillen, dunkeln Garten
braucht heute Schön Doris nicht lange zu warten.
                Hans Töffel liest oben Gedichte.


Detlev von Liliencron

 

 

 
Modernes Märchen
Sie waren so sehr ineienander verliebt,
wie es das nur noch in Büchern gibt.
Sie hatte kein Geld. Und er hatte keins.
Da machten sie Hochzeit und lachten sich eins.
Er war ohne Amt. So blieben sie arm.
Und speisten zweimal in der Woche warm.
Er nannte sie trotzdem: "Mein Schmetterling".
Sie schenkte ihm Kinder, so oft es nur ging.
Sie wohnten möbliert und waren nie krank.
Die Kinder schliefen im Kleiderschrank.
Zu Weihnachten malten sie kurzerhand
Geschenke mit Buntstiften an die Wand.
Und aßen Brot, als wär's Konfekt,
und spielten: Wie Gänsebraten schmeckt.
Dergleichen stärkt wohl die Phantasie.
Drum wurde der Mann, blitzblatz! ein Genie.
Schrieb schöne Romane. Verdiente viel Geld
und wurde der reichste Mann auf der Welt.
Erst waren sie stolz. Doch dann tat's ihnen leid,
denn Reichtum schadet der Heiterkeit.
Sie schenkten das Geld einem Waisenkind.
Und wenn sie nicht gestorben sind ...
 
 
Erich Kästner
 
 
 
 

Faustin



Faustin, der ganze funfzehn Jahr
Entfernt von Haus und Hof und Weib und Kindern war,
Ward, von dem Wucher reich gemacht,
Auf seinem Schiffe heimgebracht.
"Gott", seufzt der redliche Faustin,
Als ihm die Vaterstadt in dunkler Fern erschien,
"Gott, strafe mich nicht meiner Suenden,
Und gib mir nicht verdienten Lohn!
Lass, weil du gnaedig bist, mich Tochter, Weib und Sohn
Gesund und froehlich wieder finden."
So seufzt Faustin, und Gott erhoert den Suender.
Er kam, und fand sein Haus in Ueberfluss und Ruh.
Er fand sein Weib und seine beiden Kinder,
Und--Segen Gottes!--zwei dazu.
 
Lessing
 
 
 
 
 
 
 
Ein Nagel saß in einem Stück Holz
Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.
Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.
Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht! 
 
Ringelnatz
 
 
 
 
 
 
       ADVENT

                Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
                Schneefloecklein leis herniedersinken.

                Auf Edeltaennleins gruenem Wipfel
                haeuft sich ein kleiner weisser Zipfel.

                Und dort vom Fenster her durchbricht
                den dunklen Tann ein warmes Licht.

                Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
                die Foersterin im Herrenzimmer.

                In dieser wunderschoenen Nacht
                hat sie den Foerster umgebracht.

                Er war ihr bei des Heimes Pflege
                seit langer Zeit schon im Wege.

                So kam sie mit sich ueberein:
                am Niklasabend muss es sein.

                Und als das Rehlein ging zur Ruh',
                das Haeslein tat die Augen zu,
                erlegte sie direkt von vorn
                den Gatten ueber Kimme und Korn.

                Vom Knall geweckt ruempft nur der Hase
                zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase
                und ruhet weiter suess im Dunkeln,
                derweil die Sternlein traulich funkeln.

                Und in der guten Stube drinnen
                da laeuft des Foersters Blut von hinnen.

                Nun muss die Foersterin sich eilen,
                den Gatten sauber zu zerteilen.
                Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
                nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.

                Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
                (was der Gemahl bisher vermied)-,
                behaelt ein Teil Filet zurueck
                als festtaegliches Bratenstueck
                und packt zum Schluss, es geht auf vier
                die Reste in Geschenkpapier.

                Da toent's von fern wie Silberschellen,
                im Dorfe hoert man Hunde bellen.

                Wer ist's, der in so tiefer Nacht
                im Schnee noch seine Runden macht ?

                Knecht Ruprecht kommt mit goldenem Schlitten
                auf einem Hirsch herangeritten !

                "He, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
                die armen Menschen Freude machen ?"

                Des Foersters Haus ist tief verschneit,
                doch seine Frau steht schon bereit:
                "Die sechs Pakete, heil'ger Mann,
                's ist alles, was ich geben kann."

                Die Silberschellen klingen leise,
                Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.

                Im Foerstershaus die Kerze brennt,
                ein Sternlein blinkt - es ist Advent.
 
Loriot
 
 
 
 

Mein Freund, an einem Sonntagmorgen,
Tät sich ein hübsches Rößlein borgen.
Mit frischem Hemd und frischem Mute,
In blanken Stiefeln, blanken Hute,
Die Haltung stramm und stramm die Hose,
Am Busen eine junge Rose,
So reitet er durch die Alleen,
Wie ein Adonis anzusehen.

Die Reiter machen viel Vergnügen,
Wenn sie ihr stolzes Roß bestiegen.

Nun kommt da unter sanftem Knarren
Ein milchbeladner Eselskarren.
Das Rößlein, welches sehr erschrocken,
Fängt an zu trappeln und zu bocken,
Und, hopp, das war ein Satz, ein weiter!
Dort rennt das Roß, hier liegt der Reiter,
Entfernt von seinem hohen Sitze,
Platt auf dem Bauche in der Pfütze.

Die Reiter machen viel Vergnügen,
Besonders, wenn sie drunten liegen.

W.Busch

 

 

 

 Fußball (nebst Abart und Ausartung)

Der Fußballwahn ist eine Krank-
heit, aber selten, Gott sei Dank!
Ich kenne wen, der litt akut
an Fußballwahn und Fußballwut.
Sowie er einen Gegenstand
in Kugelform und ähnlich fand,
so trat er zu und stieß mit Kraft
ihn in die bunte Nachbarschaft.
Ob es ein Schwalbennest, ein Tiegel,
ein Käse, Globus oder Igel,
ein Krug, ein Schmuckwerk am Altar,
ein Kegelball, ein Kissen war,
und wem der Gegenstand gehörte,
das war etwas, was ihn nicht störte.
Bald trieb er eine Schweineblase,
bald steife Hüte durch die Straße.
Dann wieder mit geübtem Schwung
stieß er den Fuß in Pferdedung.
Mit Schwamm und Seife trieb er Sport.
Die Lampenkuppel brach sofort.
Das Nachtgeschirr flog zielbewußt
der Tante Berta an die Brust.
Kein Abwehrmittel wollte nützen,
nicht Stacheldraht in Stiefelspitzen,
noch Puffer, außen angebracht.
Er siegte immer, 0 zu 8,
und übte weiter frisch, fromm, frei
mit Totenkopf und Straußenei.
Erschreckt durch seine wilden Stöße,
gab man ihm nie Kartoffelklöße.
Selbst vor dem Podex und den Brüsten
der Frau ergriff ihn ein Gelüsten,
was er jedoch als Mann von Stand
aus Höflichkeit meist überwand.
Dagegen gab ein Schwartenmagen
dem Fleischer Anlaß zum Verklagen.
Was beim Gemüsemarkt geschah,
kommt einer Schlacht bei Leipzig nah.
Da schwirrten Äpfel, Apfelsinen
durch Publikum wie wilde Bienen.
Da sah man Blutorangen, Zwetschen
an blassen Wangen sich zerquetschen.
Das Eigelb überzog die Leiber,
ein Fischkorb platzte zwischen Weiber.
Kartoffeln spritzten und Zitronen.
Man duckte sich vor den Melonen.
Dem Krautkopf folgten Kürbisschüsse.
Dann donnerten die Kokosnüsse.
Genug! Als alles dies getan,
griff unser Held zum Größenwahn.
Schon schäkernd mit der U-Boots-Mine,
besann er sich auf die Lawine.
Doch als pompöser Fußballstößer
Fand er die Erde noch viel größer.
Er rang mit mancherlei Problemen.
Zunächst: Wie soll man Anlauf nehmen?
Dann schiffte er von dem Balkon
sich ein in einen Luftballon.
Und blieb von da an in der Luft,
verschollen. Hat sich selbst verpufft. -
Ich warne euch, ihr Brüder Jahns,
vor dem Gebrauch des Fußballwahns! 
 
Ringelnatz

 

 

 

 

 

 

 

 

  Unterm Apfelbaum

Lieschen kletterte flink hinauf
Bis in die höchsten Äste,
Fing in der Schürze die Äpfel auf
Ihrer Mutter zum Feste.

Ich lag unten, verliebt und faul,
Auf dem Rücken im Grase;
Mancher Apfel fiel mir ins Maul,
Mancher mir auf die Nase.

Jetzt stand Lieschen auf starkem Ast,
Schelmisch sah sie hernieder;
Ihres Leibes liebliche Last
Wiegte sich hin und wieder.

Innig umschlungen hielten sich
Splitternackt ihre Füße,
Taten sich auf und befühlten sich -
Winkten mir tausend Grüße.

Durch das Röckchen sandte der Tag
Seine goldenen Strahlen,
Was darunter geborgen lag,
Farbenprächtig zu malen.

Schimmernd rings um die weiße Haut
Wob sich die gedämpfte Helle;
Welcher Meister hat je gebaut
Prächtiger eine Kapelle.

Kindlich faltet ich da die Händ',
Forderte heiß und brünstig:
Was kein irdischer Name nennt,
Werde dem Sünder günstig.

Sieh, und am nämlichen Abend schon,
Tief in die Kissen gebettet,
Wurden der kindlichen Bitte zum Lohn
Leib und Seele gerettet.

 

 

Frank Wedekind

 

 

 

Chanson

 

Da ist ein Land – ein ganz kleines Land –

Japan heißt es mit Namen.

Zierlich die Häuser und zierlich der Strand,

zierlich die Liliputdamen.

Bäume so groß wie Radieschen im Mai.

Turm der Pagode so hoch wie ein Ei –

Hügel und Berg

klein wie ein Zwerg.

Trippeln die zarten Gestalten im Moos,

fragt man sich: Was mag das sein?

In Europa ist alles so groß, so groß –

und in Japan ist alles so klein!

 

Da sitzt die Geisha. Ihr Haar glänzt wie Lack.

Leise duftet die Rose.

Vor ihr steht plaudernd im strahlenden Tag

kräftig der junge Matrose.

Und er erzählt diesem seidenen Kind

davon, wie groß seine Landsleute sind.

Straße und Saal

pyramidal.

Sieh, und die Kleine wundert sich bloß –

denkt sich: Wie mag das wohl sein?

In Europa ist alles so groß, so groß –

und in Japan ist alles so klein!

 

Da ist ein Wald – ein ganz kleiner Wald –

abendlich dämmern die Stunden.

Horch! wie das Vogelgezwitscher verhallt ...

Geisha und er sind verschwunden.

Abendland – Morgenland – Mund an Mund –

welch ein natürlicher Völkerschaftsbund!

Tauber, der girrt,

Schwalbe, die flirrt.

Und eine Geisha streichelt das Moos,

in den Augen ein Flämmchen, ein Schein ...

In Europa ist alles so groß, so groß –

und in Japan ist alles so klein.

 

 

Kurt Tucholsky 

 

 

Die Entwicklung der Menschheit

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.
 
Erich Kästner

 

 

Wilhelminisches Krieger-Begräbnis



Hinter dunklen Wolkenbänken
Strahlt sich Sonnenlicht ins Weite.

Einen Krieger zu versenken,

Zieht ein schwarzes Grabgeleite.

Vornean die Musikanten

Die das Unglück ausposaunen,

Kinder, Gaffer und Passanten,

Die mit offnen Mündern staunen.

Und das Lied vom Kameraden,

Hinter diesem eine Pause.

Hinter dieser ein Herr Krause

Mit des Toten Klempnerladen

Hinter diesem die Gebeine,

hinter diesen die Verwandten,

Hinter diesen die Vereine

Und die übrigen Bekannten.

Hinter diesem ein Gelage,

das sie alle nochmal eint.

Hinter diesem neunzig Tage,

Da die arme Witwe weint.

Hinter diesen eine Pause,

aber keine lange nicht.

Hinter dieser jener Krause,

der die Witwe ehelicht.

Vornean die Musikanten,

die das Unglück ausposaunen,

Kinder, Gaffer und Passanten,

die mit offnen Mündern staunen.

 

Werner Finck

 

 

Parabel

Jüngst traf ich einen alten Mann
Und hub ihm vorzusingen an,
Doch an den Mienen des Gesichts
Bemerkt’ ich bald, er höre Nichts.
Da dachte ich: der Greis ist taub,
Drum wird dein Lied des Windes Raub,
So tu ihm denn, nicht durch den Mund,
Durch Zeichen Dies und Jenes kund.
Ich tat's, doch ward mir leider klar,
Dass er auch schon erblindet war,
Denn, wie der Frosch aus seinem Sumpf,
Hervor glotzt, sah er dumpf und stumpf,
Und ungestört in seiner Ruh’,
Der Sprache meiner Finger zu.
Ich rief: mit dem steht’s schlimm genug,
Doch mögt’ ich ihm den letzten Zug
Noch gönnen aus dem Lebensquell!
Da reicht’ ich ihm die Rose schnell,
Die ich für meine Braut gepflückt,
Allein auch das ist schlecht geglückt,
Ihm schien der Duft nicht mehr zu sein,
Wie einem Gartengott von Stein.
Nunmehr verlor ich die Geduld,
Ich dacht’ an meines Mädchens Huld,
Die mir so schmählich jetzt entging,
Da sie die Rose nicht empfing,
Und jagte ihm im ersten Zorn
Ins dicke Fell den scharfen Dorn;
Doch bracht’ auch dies ihm wenig Not,
Er zuckte nicht, er – war wohl tot!

 

Goethe

 

 

Humsti-Bumsti

Humsti war ein schöner Mann,
wohl beliebt bei allen Frauen;
doch auf Bumsti konnte man
nur mit Widerwillen schauen.

Humsti trug sich elegant,
abends Frack und weiße Weste -
Bumsti, dieser trübe Fant,
kam zerlumpt zu jedem Feste.

Humsti rauchte Henry Clays,
parfümierte sich die Haare,
Bumsti roch nach altem Käs
und nach Pfälzer Ausschussware.

Humsti war recht muskulös,
Brust und Waden ohne Fehle,
Bumsti sagte malitiös:
Ich hab´ eine größere Seele!

Adolfine hieß die Frau,
der sie beide Liebe schworen.
Humsti nahm das sehr genau,
Bumsti ließ es ungeschoren.

Humsti schickt ihr Blumen hin,
Wagenräder, ungeheuer;
Bumsti dacht´ in seinem Sinn:
Schenken ist recht hübsch, doch teuer.

Humsti nannt´ sie Schmetterling,
Engel, Göttin, Philomele;
Bumsti, wenn er mit ihr ging,
sprach von seiner großen Seele.

Adolfine, sicherlich
wirst du doch den Humsti nehmen?
Denn mit Bumsti muss man sich
auf der Promenade schämen.

Humsti ist ein Ehrenmann,
makellos, von höchster Reinheit.
Bumsti, jeder sieht´s ihm an,
ist das Urbild der Gemeinheit.

Adolfine sagte: Schwer
ist die Frage, wen ich wähle.
Humsti, der gefällt mir sehr,
Bumsti hat die große Seele.

Adolfine, diese Frau,
blieb nicht stehen beim Verdrusse;
Und sie kam - denn sie war schlau -
schnell zu folgendem Entschlusse:

Tags gab sie mit Wohlbedacht
Humsti lächelnde Befehle
und empfing galant zur Nacht
Bumsti mit der großen Seele.

 

Rudolf Alexander Schöne 

 

 

 

Der Werwolf

Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind, und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

"Der Werwolf", - sprach der gute Mann,
"des Weswolfs"- Genitiv sodann,
"dem Wemwolf" - Dativ, wie man's nennt,
"den Wenwolf" - damit hat's ein End.'

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch "Wer" gäb's nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.

 

 

Christian Morgenstern 

 

 

 

Der Tod

 

Gestern, Brüder, könnt ihrs glauben?
Gestern bei dem Saft der Trauben,
(Bildet euch mein Schrecken ein!)
Kam der Tod zu mir herein.

Drohend schwang er seine Hippe,
Drohend sprach das Furchtgerippe:
Fort, du teurer Bacchusknecht!
Fort, du hast genug gezecht!

Lieber Tod, sprach ich mit Tränen,
Solltest du nach mir dich sehnen?
Sieh, da stehet Wein für dich!
Lieber Tod verschone mich!

Lächelnd greift er nach dem Glase;
Lächelnd macht ers auf der Base,
Auf der Pest, Gesundheit leer;
Lächelnd setzt ers wieder her.

Fröhlich glaub ich mich befreiet,
Als er schnell sein Drohn erneuet.
Narre, für dein Gläschen Wein
Denkst du, spricht er, los zu sein?

Tod, bat ich, ich möcht auf Erden
Gern ein Mediziner werden.
Laß mich: ich verspreche dir
Meine Kranken halb dafür.

Gut, wenn das ist, magst du leben:
Ruft er. Nur sei mir ergeben.
Lebe, bis du satt geküßt,
Und des Trinkens müde bist.

Oh! wie schön klingt dies den Ohren!
Tod, du hast mich neu geboren.
Dieses Glas voll Rebensaft,
Tod, auf gute Brüderschaft!

Ewig muß ich also leben,
Ewig! denn beim Gott der Reben!
Ewig soll mich Lieb und Wein,
Ewig Wein und Lieb erfreun!

 

Gotthold Ephraim Lessing

 

 

9. September :  Rheinfahrt



Rheinfahrt– schon  oft  dazu  animiert,
vorjeschwärmt  mir  seit  Jahren –

Letzthin im  Mai  endlich  ausjeführt:

Dampfschiff  nach  Köln  jefahren……

 

 Furchtbar  enttäuscht !  Höchst mässig  Natur:

Weinberje, altes  Jemäuer –

Altes  Jemäuer  un   Weinberje  nur –

Ewig  dieselbe  Leier

 

Reiner  Mumpitz  auch  Lorelei:

Märchen  aus  alten  Zeiten –

Steinstück  un weiter  jarnischt  dabei :

Weiß  nich, was  soll  es  bedeuten!

 

 Auch  Verpflegung  auf  Schiff :  schauderös !

Immer  jehört  von  Reinheit,

Weine  auf  Schiff   janz  deliciös,

Sekt  hier zu  trinken – Jemeinheit !

 

 Jar  nich  bestätigt!  Entschieden  Wein

Besser  hier unter  Linden !

Beefsteak  bestellt : Janz  riesig – klein-

Konnte  erst  jar  nich  finden !


Dann  Jewässer ! Mir  jrün jedacht.

Jar  nich !  Janz schmutzig – jelbe

Färbung!  Von  Dichtern  jrün  jemacht –

Jar  nich  viel  anders  wie  Elbe!



Oft  auch  jehört  von  „Stimmung an  Deck!“

Irrthum!   Janz  riesige  Öde!

Stille  jesessen auf  selbem  Fleck –

Jubel,  Jesang – nich  die  Rede!



Hübschen  Damen  mich  retririert….

Nach  un  nach  Kreis  erweitert….

Janz  ausschließlich  ich  Wort  jeführt:

Janze  Jesellschaft  erheitert!



Alles  rein in  Entzücken  versetzt –

Stimmung  sich  endlich  jefunden…..

Aber  als  Schiff  jelandet  zuletzt –

Damen  mit  einmal  verschwunden---



Weiß  nich, was  Jnädigen  kam  in  den Sinn,

daß  nichmal  Abschied  nahmen?....

Möglich – zu  jeistreich  jewesen  bin:

Fehler!  Schadet  bei  Damen!

 

 

Georg Bötticher

 

 

Keine Poesie mehr

 

Ich wandelte stumm im Walde
so für mich hin,
und ein gar lieber Gedanke
lag mir im Sinn:

Wenn hier eine Schenke stände
mit Bier und Wein,
ich zögerte wohl nicht lange
und ging´ hinein.

Und hätte der Wirt eine Tochter,
wie schön wär´ das!
Und sie in die Wangen kneipen,
das wär´ ein Spaß!

Ich bliebe da und vergäße
wohl all mein Leid
beim Kneipen in der Schenke
und in die Maid ...

Die Schenke blieb und das Mädchen
ach! nur ein Traum.
Nichts stand in dem dummen Walde
als Baum an Baum.

Ich wandelte stumm nach Hause,
ich weiß nicht wie -
Verschwunden ist von der Erde
die Poesie.

Otto Sommerstorff

 

 

 

Neujahr bei Pastors

Mama schöpft aus dem Punschgefäße,
  Der Vater lüftet das Gesäße
  Und spricht: "Jetzt sind es vier Minuten
  Nur mehr bis zwölfe, meine Guten.

Ich weiß, dass ihr mit mir empfindet,
  Wie dieses alte Jahr entschwindet,
  Und daß ihr Gott in seinen Werken
- Mama, den Punsch noch was verstärken! -

Und dass ihr Gott von Herzen danket,
  Auch in der Liebe nimmer wanket,
  Weil alles, was uns widerfahren
  - Mama, nicht mit dem Arrak sparen! -

Weil, was geschah, und was geschehen,
  Ob wir es freilich nicht verstehen,
  Doch weise war, durch seine Gnade
  - Mama, er schmeckt noch immer fade! -

In diesem Sinne meine Guten,
  Es sind jetzt bloß mehr zwei Minuten,
  In diesem gläubig frommen Sinne
  - Gieß noch mal Rum in die Terrine! -

Wir bitten Gott, dass er uns helfe
  Auch ferner - Wie? Es schlägt schon zwölfe?
  Dann prosit! Prost an allen Tischen!
  - Ich will den Punsch mal selber mischen."

 

Ludwig Thoma

 

 

Eine kleine Geburt

Ich lebte mit Frau Sobernheimer;

sie war so lieb, sie war so nett.

Wir wuschen uns im selben Eimer,

wir schliefen in demselben Bett.

So trieben wir es manches Jahr ...

Bis sie den Knaben mir gebar.

 

Doch dieser Knabe war kein Knabe.

Wir hatten in der dunklen Nacht

als Zeitvertreib und Liebesgabe

uns dieses Wesen ausgedacht.

Frau S. war jeden Kindes bar.

Der Knabe, der hieß Waldemar.

 

Und war so klug! – Nach fünfzehn Tagen,

gelebt im Kinderparadies,

da konnte er schon Scheibe sagen,

bis man ihm solches leicht verwies.

Er setzte sich aufs Tintenfaß

und machte meinen Schreibtisch naß.

 

Er wuchs heran, der Eltern Freude,

ein braves, aufgewecktes Kind.

Wir merkten an ihm alle beude,

wie süß der Liebe Früchte sind.

Da fragte Mutti ganz real:

»Was wird der Junge denn nun mal –?«

 

Hebamme? General? Direktor?

Bootlegger? Hirt? Ein Schiffsbarbier?

Verlorner Mädchenheim-Inspektor?

Biographist? Gerichtsvollziehr?

Ein Freudenmännchen? Jubilar –?

Uneinig war das Elternpaar.

 

Ein Krach stieg auf, bis zu den Sternen!

Frau S., die krisch. Die Türe knallt.

Sie wollt ihn lassen Bildung lernen,

ich aber war für Staatsanwalt.

Ein Kompromiß nahm sie nicht an:

im Kino, als Bedürfnismann.

 

Der Lümmel grölte in der Küche

und fand den Krach ganz wunderbar.

So ging die Liebe in die Brüche –

und alles wegen Waldemar?

Da sprach ich fest: »Mein trautes Glück!

Wir geben dieses Jör zurück!«

 

 Gemacht. Nun ist Frau Sobernheimer

wie ehedem so lieb und nett.

Wir waschen uns im selben Eimer,

wir schlafen in demselben Bett.

Und denken nur noch hier und dar

mal an den seligen Waldemar.

Kurt Tucholsky

 

 

Abendlied des Kammervirtuosen

 

 

Du meine neunte letzte Sinfonie!
Wenn du das Hemd anhast mit rosa Streifen...
Komm wie ein Cello zwischen meine Knie,
Und lass mich zart in deine Seiten greifen.

 

Laß mich in deinen Partituren blättern.
(Sie sind voll Händel, Graun und Tremolo) -
Ich möchte dich in alle Winde schmettern,
Du meiner Sehnsucht dreigestrichnes Oh!

 

Komm lass uns durch Oktavengänge schreiten!
(Das Furioso, bitte, noch einmal!)
Darf ich dich mit der linken Hand begleiten?
Doch beim Crescendo etwas mehr Pedal!!

 

Oh deine Klangfigur! Oh die Akkorde!
Und der Synkopen rhythmischer Kontrast!
Nun senkst du deine Lider ohne Worte...
Sag einen Ton, falls du noch Töne hast!

 

Erich Kästner


 

 

Der Tierfreund an der Arbeit

 

Es  gibt Menschen, die mit Hunden plaudern,

die vor Läden angebunden sind.

Jeder bess're Hund sieht sie mit Schaudern,

denn in jedem Tierfreund steckt ein Kind.

 

" Armes Hunderl, so kurz angebunden? "

" Wie Sie sehen ", sagt der Hund voll Groll.

" Na, vertragst dich mit den andern Hunderln ? "­

" Aber ja, und leben Sie recht woh! "


" Braves Hunderl, wartet auf das Frauerl...."

" Wie Sie sehen ", sagt der Hund und lächelt nett,

" Frauerl kauft nur Fleischi, Fleischi für´s Wauwauerl "

" Wenn ich jetzt nur keinen Maulkorb hätt !! "


" Dir wird wohl die Zeit lang, armes Hunderl ? "­

" Aber nein, Sie plaudern ja so schön! "

" Na, es dauert nur ein halbes Stunderl "

Dürfen Menschen ohne Maulkorb geh'n ?!

 

Und nun ist der Mensch im besten Schmeicheln.

" Armes Hunderl, ist dir kalt? " " Nein, keine Spur."

Und nun will der Mensch das Hunderl streicheln.

Und der Hund sagt in der Regel: " Knurrr ! "



Undankbare Viecher sind die Hunde,

denkt der Mensch. Geht weg und ist ganz wild.

Und der Hund seufzt auf aus tiefstem Herzensgrunde:

" Und das nennt sich Gottes Ebenbild! "

 

Peter Hammerschlag

 

 

Maskenball im Hochgebirge

Eines schönen Abends wurden alle
Gäste des Hotels verrückt, und sie
rannten schlagerbrüllend aus der Halle
in die Dunkelheit und fuhren Ski.

Und sie sausten über weiße Hänge.
Und der Vollmond wurde förmlich fahl.
Und er zog sich staunend in die Länge.
So etwas sah er zum ersten Mal.

Manche Frauen trugen nichts als Flitter
Andre Frauen waren in Trikots.
Ein Fabrikdirektor kam als Ritter.
Und der Helm war ihm zwei Kopf zu groß.

Sieben Rehe starben auf der Stelle.
Diese armen Tiere traf der Schlag.
Möglich, daß es an der Jazzkapelle -
denn auch die war mitgefahren - lag.

Die Umgebung glich gefrornen Betten.
Auf die Abendkleider fiel der Reif.
Zähne klapperten wie Kastagnetten.
Frau von Cottas Brüste wurden steif.

Das Gebirge machte böse Miene.
Das Gebirge wollte seine Ruh.
Und mit einer mittleren Lawine
deckte es die blöde Bande zu.

Dieser Vorgang ist ganz leicht erklärlich.
Der Natur riß einfach die Geduld.
Andre Gründe gibt es hierfür schwerlich.
Den Verkehrsverein trifft keine Schuld.

Man begrub die kalten Herrn und Damen.
Und auch etwas Gutes war dabei:
Für die Gäste, die am Mittwoch kamen,
wurden endlich ein paar Zimmer frei.

 

 

Erich Kästner

 

 

 

 

Elegischer Rauchermonolog

 

Lebe wohl, es ist genug
mit dem langen Erdenrummel.
Bald geht unser letzter Zug,
lebe wohl, du alter Stummel.
Anfangs ging es flott voran,
plötzlich kam die große Wende.
Funkensprühend fängt man an,
und ein Stummel ist das Ende.
So verpafft man seine Zeit,
und man streicht uns von der Liste,
Sinnbild der Vergänglichkeit,
Inbegriff der leeren Kiste.
Alles muss in Rauch vergehn,
aufwärts zu den Cherubimen.
War der Anfang noch so schön,
doch der letzte Rest heißt: Priemen.
Alter Bursche, glaube mir,
Stummel sein, ist kein Vergnügen.
Schau mich an, jetzt stehen wir
beide vor den letzten Zügen.
Zeig dich stark und fasse dich,
dass man uns nicht überrasche.
Du bist so verkohlt wie ich,
darum Friede unsrer Asche.

 

Fred Endrikat (1890-1942)

 

 

 

Gemartert                                                             

 

                                                                

 

Ein gutes Tier                                                    Es ist halt schön           
Ist das Klavier,                                                 Wenn wir die Freunde kommen sehn,
Still, friedlich und bescheiden,                         schön ist es ferner, wenn sie bleiben, 
Und muß dabei                                                 Und sich mit uns die Zeit vertreiben,
Doch vielerlei                                                    Doch wenn sie schließlich wieder gehn,
Erdulden und erleiden.                                     Ist´s auch recht schön

 

Der Virtuos
Stürzt darauf los                                                     
Mit hochgesträubter Mähne.                                Die erste alte Tante sprach,
Er öffnet ihm                                                        "Wir müssen nun auch daran denken,
Voll Ungestüm                                                      Was wir zu ihrem Namenstag,
Den Leib gleich der Hyäne.                                   dem guten Sophiechen schenken."

 

Und rasend wild,
Das Herz erfüllt                                                    Darauf die zweite Tante kühn:
Von mörderlicher Freude,                                     "Ich schlage vor, wir entscheiden
Durchwühlt er dann,                                             uns für ein Kleid in Erbsengrün,
Soweit er kann,                                                      das mag Sophiechen nicht leiden."
Des Opfers Eingeweide.

 

Wie es da schrie,                                                    Der dritten Tante war das recht:
Das arme Vieh,                                                      "Ja", sprach sie,"mit gelben Ranken!
Und unter Angstgewimmer                                   Ich weiß, sie ärgert sich nicht schlecht,
Bald hoch, bald tief                                               Und muß sich auch noch bedanken."
Um Hilfe rief,
Vergess' ich nie und nimmer.

 

 

 

Wirklich, er war unentbehrlich!                                        Die Selbstkritik hat viel für sich,
Überall, wo was geschah                                                   Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
Zu dem Wohle der Gemeinde,                                            So hab ich erstens den Gewinn,
Er war tätig, er war da.

 

Schützenfest, Kasinobälle                                                 Das ich recht hübsch bescheiden bin;
Pferderennen, Preisgericht,                                                Zum zweiten denken sich die Leut,
Liedertafel, Spritzenprobe,                                                der Mann ist lauter Redlichkeit
Ohne ihn, da ging es nicht.                                                Auch schnapp ich drittens diesen Bissen

 

Ohne ihn war nichts zu machen,                                       Vorweg den andern Kritiküssen
Keine Stunde hatt' er frei.                                                  Und viertens hoff ich außerdem
Gestern, als sie ihn begruben,                                             Auf Widerspruch, der angenehm.
War er richtig auch dabei.                                                  So kommt es schließlich dann heraus,

 

                                                                                             Das ich ein ganz famoses Haus!

 

 

 

 

 

Mein kleinster Fehler ist der Neid. –                               Ach, ich fühl es! Keine Tugend
Aufrichtigkeit, Bescheidenheit,                                        Ist so recht nach meinem Sinn, 
Dienstfertigkeit und Frömmigkeit,                                  Stets befind ich mich am wohlsten,
Obschon es herrlich schöne Gaben,                                   Wenn ich damit fertig bin.
Die gönn' ich allen, die sie haben.                                     Dahingegen so ein Laster
Nur wenn ich sehe, daß der Schlechte                              Ja, das macht mir viel Pläsier,
Das kriegt, was ich gern selber möchte;                           Und ich hab die hübschen sachen
Nur wenn ich leider in der Nähe                                       Lieber vor als hinter mir
So viele böse Menschen sehe,
Und wenn ich dann so oft bemerke,                                 
Wie sie durch sittenlose Werke                       Die Tugend will nicht immer passen,
Den lasterhaften Leib ergötzen,                     Im ganzen läßt sie etwas kalt,
Das freilich tut mich tief verletzen.               Und das man eine unterlassen,
Sonst, wie gesagt, bin ich hienieden                vergißt man bald.
Gottlobunddank so recht zufrieden.               Doch schmerzlich denktmanch alter Knaster,

                                                                           Der von vergangnen Zeiten träumt,

                                                                            An die Gelegenheit zum Laster,

                                                                            Die er versäumt.

W. Busch

 

Ich hab ein schönes Mädchen

 

Gehabt;

 

Das hat mich mit viel Liebe

 

Gelabt.

 

Ach Gott, wie war sie niedlich,

 

Oh Gott, wie war sie nett!

 

Ich kaufte ihr aus Rosenholz

 

Ein Himmelbett.

 

 

 

Ich kaufte ihr auch Kleider

 

Und Schuh;

 

Die Unterröckchen machten

 

Frou-frou.

 

Sie war, beim Himmel, sauber

 

Und reizend anzusehn,

 

Es konnte mit ihr jeder Prinz

 

Zu Tanze gehn.

 

 

 

Da machte mich die Liebe

 

Verdreht;

 

Ich ging mit ihr zum Pfarrer,

 

O bête!

 

Sie hat mirs nie verziehen,

 

Daß ich sie so verkannt:

 

Ist mit dem ersten besten Kerl

 

Davon gerannt.

 

 

 

Das ist doch niederträchtig,

 

Nicht wahr?

 

Ich raufe mir den Bart und

 

Das Haar.

 

Die Röckchen, Höschen, Schühchen

 

Und auch das Himmelbett

 

Hat nun der miserable Schuft,

 

Oh Schwerebrett!

 

 

 

Und alles das von wegen

 

Dem Ring,

 

Den sie von mir beim Pfarrer

 

Empfing.

 

Oh, welch ein großer Esel

 

War ich und Pavian!

 

Die Legitimität hat mir

 

Das angethan.

 

 

 

Und darf ich sie denn schelten?

 

Oh nein.

 

Es mußte ganz natürlich

 

So sein.

 

Sie hatte für die Ehe

 

Nun einmal kein Talent;

 

Das Variété der Liebe war

 

Ihr Element.

 

 

 

Mag sie zum Teufel tanzen,

 

Ade!

 

Mir thun davon die Beine

 

Nicht weh.

 

Ich sitze im Parkette

 

Vergnügt voll Spannung da:

 

Sie hat den fünften Partner schon –

 

Halleluja!

 

Julius Bierbaum

 

 

 

 

Schaun Sie sich mein Rosel an

 

Wie sie mich umflattert –
Dass sie mich vergöttert, kann ein Blinder heut schon sehn!
Morgen werd'n wir Frau und Mann –
Ich hab sie ergattert
Und sie ist verrückt nach mir – no, das kann ich verstehn!
Sind wir erst verheiratet, dann kann ich prophezeihn
Niemand wird wie wir so glücklich sein!

Denn sie wird kommandiern
Und mich schikaniern
Und verwünschen jeden Tag, den sie mit mir verbringt!
Sie wird mich peinigen
Und mir schriftlich bescheinigen
Wie sie über mich zerspringt!
Ich werd mich plagen
Und sie wird sagen
Dass unser Nachbar Jossel Braun viel mehr verdient!
Und kommt ein Kind zur Welt
Als Gottes Schmerzensgeld
Wird sie sagen: "Armes Kind!
Nebbich – wos du für'n Vater hast!"", wird sie sagen!

Und täglich wird sie wünschen Gottes Feuer auf mein Haupt, hähäha –
Sie weiß, Gott macht das nicht sehr oft!
Doch komm ich abends müd nach Hause
Dann wartet sie – wenn sie nicht schloft!
Dann lächelt sie und wird grob
Wirft mir an Schuh am Kopp
Und erzählt die ganze Nacht, wie ich ihr ihr Leben verhunz!
No, und ihre Mutter gar
Die wird noch leben a so a fünfzig Jahr –
Davon jeden Tag mit uns!

Sie sehen, unsre Ehe nimmt an harmonischen Verlauf
Soweit ich das schon heute überseh
Nur später, wenn die Kinder groß sind
Und fortgehn, das tut Rosel weh!
Dann weint sie bitterlich –
Zur Abwechslung schimpft sie a bissel auf mich
Weil ich ihr so viel Kinder mach und sie nicht vorher frag!
Doch jetzt genug geredt
Ich muss nach Haus zu Bett –

 

Denn Morgen ist mein Hochzeitstag

 

Georg Kreisler

 

 

Korrektur in Liebesdingen

 

 

 

Ach, ich hab von Dir genug.

 

Bist zwar hübsch, doch viel zu klug

 

Drum lach Dir ´nen andren an,

 

Der sich mit dir messen kann.

 

 

 

Unlängst wollt ich unter Bäumen

 

Liebestrunken mit dir träumen

 

Und ich schmeichle :"Liebes Kind,

 

nirgends ich ´ne schönre find !

 

 

 

Oh, wie seh ich doch so gerne

 

In den Augen dein, die Sterne

 

Lieblich übertreffend strahlen,

 

Ach, dich müßt´der Dali malen !"

 

 

 

Haspelnd, stotternd, liebestoll,

 

Stöhn´ ich ihr die Ohren voll:
" Oh, du bist noch schöner wie....."

 

"Schöner als!!" erwidert sie.

 

 

 

Solches Wort macht Liebe tot -

 

Und so rief ich zornesrot:

 

"Eh wir uns belehren müssen,

 

Laß dich doch von Goethe küssen!!"

 

 

Michail Krausnick

 

 

Vorfreude auf Weihnachten

 

Ein Kind – von einem Schiefertafel-Schwämmchen
Umhüpft – rennt froh durch mein Gemüt.

 

Bald ist es Weihnacht! – Wenn der Christbaum blüht,
Dann blüht er Flämmchen.
Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt
Uns mild. – Es werden Lieder, Düfte fächeln. -

 

Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt,
Wird dann doch gütig lächeln.

 

Wenn wir im Traume eines ewigen Traumes
Alle unfeindlich sind – einmal im Jahr! –
Uns alle Kinder fühlen eines Baumes.

 

Wie es sein soll, wie’s allen einmal war.

 

Ringelnatz

 

 

 

 

Der Januar

 

Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.
Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege.
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Man steht am Fenster und wird langsam alt.

 

Die Amseln frieren.
Und die Krähen darben.
Und auch der Mensch hat seine liebe Not.
Die leeren Felder sehnen sich nach Garben.
Die Welt ist schwarz und weiß und ohne Farben.
Und wär so gerne gelb und blau und rot.

 

Umringt von Kindern wie der Rattenfänger,
tanzt auf dem Eise stolz der Januar.
Der Bussard zieht die Kreise eng und enger.
Es heißt, die Tage würden wieder länger.
Man merkt es nicht. Und es ist trotzdem wahr.

 

Die Wolken bringen Schnee aus fremden Ländern.
Und niemand hält sie auf und fordert Zoll.
Silvester hörte man’s auf allen Sendern,
dass sich auch unterm Himmel manches ändern
und, außer uns, viel besser werden soll.

 

Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und ist doch hunderttausend Jahre alt.
Es träumt von Frieden. Oder träumt’s vom Kriege?
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und stirbt in einem Jahr. Und das ist bald.

 

Erich Kästner

 

 

Die Freunde

 

Zwei Knaben, Fritz und Ferdinand,
Die gingen immer Hand in Hand,
Und selbst in einer Herzensfrage
Trat ihre Einigkeit zutage.
Sie liebten beide Nachbars Käthchen,
Ein blondgelocktes, kleines Mädchen.
Einst sagte die verschmitzte Dirne:
Wer holt mir eine Sommerbirne?
Recht saftig, aber nicht zu klein?
Hernach soll er der Beste sein.
Der Fritz nahm seinen Freund beiseit
Und sprach: Das machen wir zu zweit;
Da drüben wohnt der alte Schramm,
Der hat den schönsten Birnenstamm.
Du steigst hinauf und schüttelst sacht,
Ich lese auf und gebe acht.
Gesagt, getan. Sie sind am Ziel:
Schon als die erste Birne fiel,
Macht Fritz damit sich aus dem Staube,
Denn eben schlich aus dunkler Laube,
In fester Faust ein spanisch Rohr,
Der aufmerksame Schramm hervor.
Auch Ferdinand sah ihn beizeiten
Und tät am Stamm heruntergleiten
In Ängstlichkeit und großer Hast.
Doch eh er unten Fuß gefaßt,
Begrüßt ihn Schramm bereits mit Streichen,
Als wollt er einen Stein erweichen.
Der Ferdinand, voll Schmerz und Hitze,
Entfloh und suchte seinen Fritze.
Wie angewurzelt blieb er stehn.
Ach, hätt' er es doch nie gesehn:
Die Käthe hat den Fritz geküßt,
Worauf sie eine Birne ißt.
Seit dies geschah, ist Ferdinand
Mit Fritz nicht mehr so gut bekannt.

 

Wilhelm Busch

 

Kindergebetchen

 

 

 

Erstes

Lieber Gott, ich liege
Im Bett. Ich weiß, ich wiege
Seit gestern fünfunddreißig Pfund.
Halte Pa und Ma gesund.

Ich bin ein armes Zwiebelchen,
Nimm mir das nicht übelchen.

Zweites

Lieber Gott, recht gute Nacht,
Ich hab noch schnell Pipi gemacht,
Damit ich von dir träume.
Ich stelle mir den Himmel vor
Wie hinterm Brandenburger Tor
Die Lindenbäume.

Nimm meine Worte freundlich hin,
Weil ich schon so erwachsen bin.

Drittes

Lieber Gott mit Christussohn,
Ach schenk mir doch ein Grammophon.
Ich bin ein ungezognes Kind,
Weil meine Eltern Säufer sind.
Verzeih mir, daß ich gähne.
Beschütze mich in der Not,

Mach meine Eltern noch nicht tot
Und schenk der Oma Zähne.

 

Ringelnatz

 

 

Der Scheidebrief

 

 

 

(die ledige Erna Schmidt schreibt)

 

Zwei Stunden sitz ich nun in Cafe Bauer.
Wenn du nicht willst, dann sag es ins Gesicht.
Deswegen wird mir meine Milch nicht sauer.
Ich pfeif auf dich, mein Schatz. Na schön, dann nicht!

 

Du brauchst nicht denken, dass ich dich entbehre.
Mit dem Verkehr mit mir, das ist jetzt aus.
Auch ich hab so etwas wie eine Ehre.
Lass dich nicht blicken, Schatz, sonst fliegst du raus.

 

Da sitz ich nun und weis nicht, wovon zahlen.
Der Ober guckt schon wie ein Dedektif.
Ich wollte, die Klosettfrau, Mutter Grahlen,
anpumpen. Doch das Rindvieh schlief.

 

Du bist der erste nicht der so verschwindet.
Das hab ich nicht an dir verdient, mein Kind.
Du glaubst doch nicht, dass sich kein andrer findet?
Es gibt noch welche, die in Stimmung sind.

 

Ich hab das Grüne an aus Poppelien.
Das Loch drinn hast du auch hineingerissen.
Du weißt es reicht mir nur bis zu den Knien.
Ich hab auch noch ein angefangenes Kissen....

 

Das solltest du am heiligen Abend kriegen.
Das ist nun aus und mir auch einerlei.
Es werden öfters andre darauf liegen.
Denn was vorbei ist, Schatz, das ist vorbei.

 

Ich sitz allein und wippe mit die Beine.
Verschiedne Herren reflektieren stark.
Bei Licht betrachtet seit ihr alle Schweine.
Was hilft das alles? Ich brauch hundert Mark.

 

Ich bin nicht stolz. Auch wär das nicht am Platze.
Wenn du was übrig hast dann schick es schnell.
Mir gegenüber feixt ein Herr mit Glatze.
Das ist der Scheff von Engelshorns Hotell.

 

Wenn du mich triffst du brauchst mich nicht zu grüßen.
Mann kann nie wissen und es stört auch blos.
Seit gestern nacht hab ich geschwollne Drüßen.
Wenn alles gut geht, ist da etwas los.

 

Na Schluß. Der Visawie von gegenüber
fragt ob ich wollte denn er möchte schon.
Der hat Moneten so ein alter Schieber.
Behalt dein Geld und schlaf allein, mein Sohn.

 

Auch du warst einer von die feinen Herrn.
Der Alte kommt. Er nimmt mich zu sich mit.
Rutsch mir den Buckel lang und hab mich gern.
Von ganzem Herzen Deine Erna Schmidt

 

 Erich Kästner

 

 

VERGEBLICHE JAGD

 

Ein Mensch ist rastlos auf der Jagd

 

Nach rarstern Wild: nach einer Magd!

 

Er inseriert in Blatt und Blättchen -

 

Doch suchen Hunderte ein Mädchen.

 

Er fragt Bekannte, späht und horcht.

 

Die erste, sichtlich schon bestorcht,

 

Spricht vor - und sie will wiederkommen,

 

Vermutlich nur zum Niederkommen.

 

Die zweite möcht - und tut noch gnädig -

 

Mitbringen gleich zwei Kinder, ledig.

 

Die dritte zeigt sich gern bereit

 

Zu allem - nur nicht Hausarbeit!

 

Die vierte muß er rasch entlassen:

 

Sie hat im Schrank nicht alle Tassen.

 

Und das hat auch die fünfte nicht, -

 

Die nur, weil alle sie zerbricht.

 

Die sechste, grad erst frisch vom Land,

 

Verlangt vierhundert, auf die Hand.

 

Die siebte, alt und, scheints, bewährt,

 

Hat gleich die Ihren miternährt.

 

Die achte muß der Schutzmann holen,

 

Sie hat den Menschen ausgestohlen.

 

Wegjagen muß er auch die neunte,

 

Weil Nacht für Nacht sie draußen streunte.

 

Nun seufzt der Mensch: »Dann lieber kein

 

Wir machen jetzt den Dreck alleine !«

 

Die Reu ist lang nach kurzem Wahn -

 

Dann geht die Jagd von vorne an .....

 

Eugen Roth

 

Das Doktor-Knochensplitter-Spiel

 

 

Dazu braucht man nicht viel.
Nur ein Gänse- oder Hühnerknöchelchen.
Du, Berta, bohrst ein Löchelchen
Ins Sofa und schiebst das Knöchelchen
Weit rein, doch immer dicht unter die Sofahaut,
Daß man’s von außen wie Knorpel anfassen kann,
Was wie Geschwulst ausschaut.
Das Sofa ist dann dein Mann.
Ich bin der Doktor Frank.
Du sagst: »Mein Mann ist so krank.«
Ich fühle und sage mit ernster Miene:
»Er hat einen Splitter im Herzen sitzen«,
Und nehme das Ölkännchen von eurer Nähmaschine,
Um erstmal Betäubung in das Geschwür einzuspritzen.
Nun kommt die Operation; das ist das Schwere.
Ich nehme ein Messer und eine Schere.
Du nimmst ein Handtuch und fürchtest dich zuzusehn;
Darum drückst du die Augen zu.
Ich tu einen scharfen Schnitt, greife dann
- das muß wie der Blitz geschehn -
Mit der Zange (das ist die Schere) im Nu
Den Knochen Weil, wenn ich ihn nicht beim ersten Male geschickt
Gleich rausbekomme, – ist die Operation mißglückt.
- – - -
Das nächste Mal bist du Doktor Frank,
Und mein Mann ist krank.
- – - -
Angst darfst du nicht haben. Denn meine und deine
Eltern können uns – - – Weißt du, was ich meine?!?

 

Ringelnatz

 

 

Der Tod

       

 

Gestern, Brüder, könnt ihrs glauben?
Gestern bei dem Saft der Trauben,
(Bildet euch mein Schrecken ein!)
Kam der Tod zu mir herein.

Drohend schwang er seine Hippe,
Drohend sprach das Furchtgerippe:
Fort, du teurer Bacchusknecht!
Fort, du hast genug gezecht!

Lieber Tod, sprach ich mit Tränen,
Solltest du nach mir dich sehnen?
Sieh, da stehet Wein für dich!
Lieber Tod verschone mich!

Lächelnd greift er nach dem Glase;
Lächelnd macht ers auf der Base,
Auf der Pest, Gesundheit leer;
Lächelnd setzt ers wieder her.

Fröhlich glaub ich mich befreiet,
Als er schnell sein Drohn erneuet.
Narre, für dein Gläschen Wein
Denkst du, spricht er, los zu sein?

Tod, bat ich, ich möcht auf Erden
Gern ein Mediziner werden.
Laß mich: ich verspreche dir
Meine Kranken halb dafür.

Gut, wenn das ist, magst du leben:
Ruft er. Nur sei mir ergeben.
Lebe, bis du satt geküßt,
Und des Trinkens müde bist.

Oh! wie schön klingt dies den Ohren!
Tod, du hast mich neu geboren.
Dieses Glas voll Rebensaft,
Tod, auf gute Brüderschaft!

Ewig muß ich also leben,
Ewig! denn beim Gott der Reben!
Ewig soll mich Lieb und Wein,
Ewig Wein und Lieb erfreun!

 

Gotthold Ephraim Lessing

 

Freundesbrief an einen Melancholischen

 

 

Du klagst, mein Freund, und jammerst sehr,
Wie elend dieses Leben wär;
Es sei nicht auszuhalten. –
Was klagst du denn? Es ist dein Recht,
Bist du ein müd und fauler Knecht,
Dich gänzlich auszuschalten.
Kauf dir, o Freund, ein Pistolet
Und schieß dich tot, – hurra, juchhe!
Dann bist du gleich gestorben.

Doch macht des Pulvers Knallgetös
Dich, weil nervös du bist, nervös,
Brauchst du nicht zu verzagen.
Ich weiß ein Mittel ohne Knall,
Geräuschlos, prompt; für jeden Fall
Will ich dirs hiermit sagen:
O speise, Freundchen, Strychenin!
Das wird dich in den Himmel ziehn.
Dort geigst du mit den Engeln.

Falls aber, weil du heikel bist,
Strychnin dir unsympathisch ist
(Es schmeckt ein bisschen fade),
So brauchst du nicht gleich bös zu sein;
Mir fällt schon etwas andres ein:
Geh auf die Promenade
Und hänge dich an einen Ast.
Sobald du ausgezappelt hast,
Hängst du für ewig stille.

Wie? Kitzlig bist du an dem Hals?
Wohl, mein Geliebter! Diesesfalls
Gilts anderes Gebaren:
Spring in den Fluss, stürz dich vom Turm,
Lass dich gleich einem Regenwurm
Elektrisch überfahren.
Auch ist ein ziemlich sichrer Tod
Der durch komplette Atemnot
Infolge Ofengasen.

Du schüttelst immer noch den Kopf?
Ei, du verruchter Sauertopf,
Geh hin, dich zu purgieren!
Mach dir Bewegung, fauler Bauch,
So wird die liebe Seele auch
Vergnügt im Sein spazieren.
Ein wackres Wort heißt: resolut!
Hast du zum Sterben nicht den Mut,
So lebe mit Courage!

 

 Otto Julius Bierbaum

 

Erfolgloser Liebhaber

 

 

Ein Mensch wollt sich ein Weib erringen,
doch leider konnts ihm nicht gelingen.
Er ließ sich drum, vor weitern Taten,
von Fraun und Männern wohl beraten:
"Nur nicht gleich küssen, tätscheln, tappen!"
"Greif herzhaft zu, dann muss es schnappen!"
"Lass deine ernste Absicht spüren!"
"Sei leicht und wahllos im Verführen!"
"Der Seele Reichtum lege bloß!"
"Sei scheinbar kalt und rücksichtslos!"
Der Mensch hat alles durchgeprobt,
hat hier sich ehrenhaft verlobt,
hat dort sich süß herangeplaudert,
hat zugegriffen und gezaudert,
hat Furcht und Mitleid auferweckt,
hat sich verschwiegen, sich entdeckt,
war zärtlich kühn, war reiner Tor,
doch wie er´s machte - er verlor.
Zwar stimmte jeder Rat genau,
doch jeweils nicht für jede Frau.

 

Eugen Roth

 

 

 

 Die unmögliche Tatsache

 

Palmström, etwas schon an Jahren,

wird an einer Straßenbeuge

und von einem Kraftfahrzeuge

überfahren.

 

Wie war (spricht er, sich erhebend

und entschlossen weiterlebend)

möglich, wie dies Unglück, ja -:

daß es überhaupt geschah?

 

Ist die Staatskunst anzuklagen

in Bezug auf Kraftfahrwagen?

Gab die Polizeivorschrift

hier dem Fahrer freie Trift?

 

Oder war vielmehr verboten

hier Lebendige zu Toten

umzuwandeln - kurz und schlicht:

Durfte hier der Kutscher nicht -?

 

Eingehüllt in feuchte Tücher,

prüft er die Gesetzesbücher

und ist alsobald im klaren:

Wagen durften dort nicht fahren!

 

Und er kommt zu dem Ergebnis:

Nur ein Traum war das Erlebnis.

Weil, so schließt er messerscharf,

nicht sein kann, was nicht sein darf

 

Ein Jahr ist zu Ende

Ein Jahr ist zu Ende.
Nun gebt euch die Hände

und sagt: Alles Gute, Gesundheit und Glück!

Beschließt in Gedanken,
euch nicht mehr zu zanken,

und denkt an die Sünden vom Vorjahr zurück!

Bleibt nett und verträglich,
und drückt euch nicht täglich

vorm Waschen und Lernen auf listige Art!

Tut's auch nicht verdrießlich!
Es bleibt euch ja schließlich,

ob schneller, ob langsamer, doch nicht erspart!

Ein Jahr will beginnen.
Im Glockenturm drinnen

erschrecken die Tauben vom Bimm und vom Bumm.

Seid nicht wie die Tauben!
Ihr müsst an euch glauben.

Stapft fröhlich ins Neujahr
und dreht euch nicht um !

James Krüss

 

Der Wasseresel

 

Der Wasseresel taucht empor

und legt sich rücklings auf das Moor.

 

Und ordnet künstlich sein Gebein,

im Hinblick auf den Mondenschein:

 

So daß der Mond ein Ornament

auf seines Bauches Wölbung brennt...

 

Mit diesem Ornamente naht

er sich der Fingur Wasserstaat.

 

Und wird von dieser, rings beneidet,

mit einem Doktorhut bekleidet.

 

Als Lehrer list er nun am Pult,

wie man durch Geist, Licht und Geduld,

 

verschönern könne, was sonst nicht

in allem dem Geschmack entspricht.

 

Er stellt zuletzt mit viel Humor

sich selbst als lehrreich Beispiel vor.

 

»Einst war ich meiner Dummheit Beute«,

so spricht er - »und was bin ich heute?

 

Ein Kunstwerk der Kulturbegierde,

des Waldes Stolz, des Weihers Zierde!

 

Seht her, ich bing euch in Person

das Kunsthandwerk als Religion.«

 

Christian Morgenstern

 

 

 Böses Geträume

 

Im Traume war ich wieder jung und munter
Es war das Landhaus hoch am Bergesrand,
Wettlaufend lief ich dort den Pfad hinunter,
Wettlaufend mit Ottilien Hand in Hand.

Wie das Persönchen fein formiert! Die süßen
Meergrünen Augen zwinkern nixenhaft.
Sie steht so fest auf ihren kleinen Füßen,
Ein Bild von Zierlichkeit, vereint mit Kraft.

Der Ton der Stimme ist so treu und innig,
Man glaubt zu schaun bis in der Seele Grund;
Und alles, was sie spricht, ist klug und sinnig;
Wie eine Rosenknospe ist der Mund.

Es ist nicht Liebesweh, was mich beschleichet,
Ich schwärme nicht, ich bleibe bei Verstand; -
Doch wunderbar ihr Wesen mich erweichet,
Und heimlich bebend küß ich ihre Hand.

Ich glaub, am Ende brach ich eine Lilie,
Die gab ich ihr und sprach ganz laut dabei:
»Heirate mich und sei mein Weib, Ottilie,
Damit ich fromm wie du und glücklich sei.«

Was sie zur Antwort gab, das weiß ich nimmer,
Denn ich erwachte jählings - und ich war
Wieder ein Kranker, der im Krankenzimmer
Trostlos daniederliegt seit manchem Jahr. --

 

Heinrich Heine

 

 

Besagter Lenz ist da

Es ist schon so. Der Frühling kommt in Gang.
Die Bäume räkeln sich. Die Fenster staunen.
Die Luft ist weich, als wäre sie aus Daunen.
Und alles andere ist nicht von Belang.
 
Nun brauchen alle Hunde eine Braut.
Und Pony Hütchen sagte mir, sie fände:
Die Sonne habe kleine, warme Hände
Und krabble ihr mit diesen auf der Haut.
 
Die Hausmannsleute stehen stolz vorm Haus.
Man sitzt schon wieder auf Caféterrassen
Und friert nicht mehr und kann sich sehen lassen.
Wer kleine Kinder hat, der fährt sie aus.
 
Sehr viele Fräuleins haben schwache Knie.
Und in den Adern rollt´s wie süße Sahne.
Am Himmel tanzen blanke Aeroplane.
Man ist vergnügt dabei. Und weiß nicht wie.
 
Man sollte wieder mal spazierengehn.
Das Blau und Grün und Rot war ganz verblichen.
Der Lenz ist da! Die Welt wird frisch gestrichen!
Die Menschen lächeln, bis sie sich verstehn.
 
Die Seelen laufen Stelzen durch die Stadt.
Auf dem Balkon stehn Männer ohne Westen
Und säen Kresse in die Blumenkästen.
Wohl dem, der solche Blumenkästen hat!
 
Die Gärten sind nur noch zum Scheine kahl.
Die Sonne heizt und nimmt am Winter Rache.
Es ist zwar jedes Jahr dieselbe Sache,
doch es ist immer wie zum ersten Mal.

 

Erich Kästner

 

Ein Hund hält Reden

Ich hab im Traum mit einem Hund gesprochen.
Erst sprach er spanisch. Denn dort war er her.
Weil ich Ihn nicht verstand-das merkte er-
sprach er dann Deutsch,wenn auch etwas
gebrochen.

Er sah mich ganz entsetzt die Hände falten
und sagte freundlich:-Kästner wissen Sie,
warum die Tiere die Schnauze halten?
Ich schwieg. Und war verlegen wie noch nie.

Der Hund sprach durch die Nase und fuhr fort:
Wir können sprechen.Doch wir tun es nicht.
Und wer, außer im Traum, mit Menschen spricht,
den fressen wir nach seinem ersten Wort.

Ich fragte Ihn natürlich nach dem Grund.
(Ich glaubte nichts,was man mir nicht erklärt.)
Da sagte mir dann der geträumte Hund:

Das ist doch klar! Der Mensch ist es nicht wert,
das man gesellschaftlich mit Ihm verkehrt.
Er hob sein Bein, sprang flink durch krumme
Gassen...
Und so was muß man sich sagen lassen!

nochmal Kästner

 

Die Wirtschafterin

 

 

Drei Wochen hinter Pfingsten,

Da traf ich einen Mann,

Der nahm mich ohne den geringsten

Einwand als Wirtschafterin an.

 

Ich hab' ihm die Suppe versalzen

Und auch die Sommerzeit,

Er nannte mich süße Puppe

Und strich mir ums Unterkleid.

 

Ich hab' ihm silberne Löffel gestohlen

Und auch Bargeld nebenbei.

Ich heizte ihm statt mit Kohlen

Mit leeren Versprechungen ein.

 

Ich habe ihn angeschissen,

So kurz wie lang, so hoch wie breit.

Er hat mich hinausgeschmissen;

Es war eine wundervolle Zeit...

 

Klabund

 

 

Mein Wannenbad

 

Es muß wieder mal sein.

Also: Ich steige hinein

In zirka zwei Kubikmeter See.

Bis übern Bauch tut es weh.

Das Hähnchen plätschert in schamlosem Ton,

Ich atme und schnupfe den Fichtenozon,

Beobachte, wie die Strömung läuft,

Wie dann clam, langsam mein Schwamm sich besäuft.

Und ich ersäufe, um allen Dürsten

Gerecht zu werden, verschiedene Bürsten.

Ich seife, schrubbe, ich spüle froh.

Ich suche auf Ausguck

Vergebens nach einem ertrinkenden Floh,

Doch fort ist der Hausjuck.

Ich lehne mich weit und tief zurück,

Genieße schaukelndes Möwenglück.

Da taucht aus der blinkenden Fläche, wie

Eine Robinsoninsel, plötzlich ein Knie;

Dann – massig – mein Bauch – eines Walfisches Speck.

Und nun auf Wellen (nach meinem Belieben

Herangezogen, davongetrieben),

Als Wogenschaum spielt mein eigenster Dreck

Und da auf dem Gipfel neptunischer Lust,

Klebt sich der Waschlappen mir an die Brust.

Brust, Wanne und Wände möchten zerspringen,

Denn ich beginne nun, dröhnend zu singen

Die allerschwersten Opernkaliber.

Das Thermometer steigt über Fieber,

Das Feuer braust, und der Ofen glüht,

Aber ich bin schon so abgebrüht,

Daß mich gelegentlich Explosionen –

– Wenn's an mir vorbeigeht – –

Erfreun, weil manchmal dabei was entzweigeht,

Was Leute betrifft, die unter mir wohnen.

Ich lasse an verschiedenen Stellen

Nach meinem Wunsch flinke Bläschen entquellen,

Erhebe mich mannhaft ins Duschengebraus.

Ich bück mich. Der Stöpsel rülpst sich hinaus,

Und während die Fluten sich gurgelnd verschlürfen,

Spannt mich das Bewußtsein wie himmlischer Zauber,

Mich überall heute zeigen zu dürfen,

Denn ich bin sauber. –

 

Ringelnatz

 

Eine Animierdame stößt Bescheid

 

Ich sitze nachts auf hohen Hockern,
berufen, Herrn im Silberhaar
moralisch etwas aufzulockern.
Ich bin der Knotenpunkt der Bar.

Sobald die Onkels Schnaps bestellen,
rutsch ich daneben, lad mich ein
und sage nur: „Ich heiße Ellen.
Laßt dicke Männer um mich sein!“

Man darf mich haargenau betrachten.
Mein Oberteil ist schlecht verhüllt.
Ich habe nur darauf zu achten,
daß man die Gläser wieder füllt.

Wer über zwanzig Mark verzehrt,
der darf mir in die Seiten greifen
und (falls er solcherlei begehrt)
mich in die bessre Hälfte kneifen.

Selbst wenn mich einer Hure riefe,
obwohl ich etwas Beßres bin,
das ist hier alles inklusive
und in den Whiskys schon mit drin.
So sauf ich Schnaps im Kreis der Greise
und nenne dicke Bäuche Du
und höre, gegen kleine Preise,
der wachsenden Verkalkung zu.

Und manchmal fahr ich dann mit einem
der Jubelgreise ins Hotel.
Vergnügen macht es zwar mit keinem.
Es lohnt sich aber finanziell.

Falls freilich einer glauben wollte,
mir könne Geld im Bett genügen,
also: Wenn ich die Wahrheit sagen sollte,
müßt ich lügen!

 

Kästner

 

 

An das Baby

 

Alle stehn um dich herum: 
Fotograf und Mutti
und ein Kasten, schwarz und stumm,
Felix, Tante Putti...
Sie wackeln mit dem Schlüsselbund,
fröhlich quietscht ein Gummihund.
"Baby, lach mal!" ruft Mama.
"Guck", ruft Tante, "eiala!"
Aber du, mein kleiner Mann,
siehst dir die Gesellschaft an...
Na, und dann - was meinste?
Weinste.
Später stehn um dich herum
Vaterland und Fahnen;
Kirche, Ministerium,
Welsche und Germanen.
Jeder stiert nur unverwandt
auf das eigne kleine Land.
Jeder kräht auf seinem Mist,
weiß genau, was Wahrheit ist.
Aber du, mein guter Mann,
siehst dir die Gesellschaft an...
Na, und dann - was machste?
Lachste.

 

Kurt Tucholski

 

 

 

Das Hohelied

 

Des Weibes Leib ist ein Gedicht,
Das Gott der Herr geschrieben
Ins große Stammbuch der Natur,
Als ihn der Geist getrieben.

Ja, günstig war die Stunde ihm,
Der Gott war hochbegeistert;
Er hat den spröden, rebellischen Stoff
Ganz künstlerisch bemeistert.

Fürwahr, der Leib des Weibes ist
Das Hohelied der Lieder;
Gar wunderbare Strophen sind
Die schlanken, weißen Glieder.

O welche göttliche Idee
Ist dieser Hals, der blanke,
Worauf sich wiegt der kleine Kopf,
Der lockige Hauptgedanke!

Der Brüstchen Rosenknospen sind
Epigrammatisch gefeilet;
Unsäglich entzückend ist die Zäsur,
Die streng den Busen teilet.

Den plastischen Schöpfer offenbart
Der Hüften Parallele;
Der Zwischensatz mit dem Feigenblatt
Ist auch eine schöne Stelle.

Das ist kein abstraktes Begriffspoem!
Das Lied hat Fleisch und Rippen,
Hat Hand und Fuß; es lacht und küßt
Mit schöngereimten Lippen.

Hier atmet wahre Poesie!
Anmut in jeder Wendung!
Und auf der Stirne trägt das Lied
Den Stempel der Vollendung.

Lobsingen will ich dir, o Herr,
Und dich im Staub anbeten!
Wir sind nur Stümper gegen dich,
Den himmlischen Poeten.

Versenken will ich mich, o Herr,
In deines Liedes Prächten;
Ich widme seinem Studium
Den Tag mitsamt den Nächten.

Ja, Tag und Nacht studier ich dran,
Will keine Zeit verlieren;
Die Beine werden mir so dünn –
Das kommt vom vielen Studieren.

 

Heinrich Heine

 

Die Weihnachtsmaus ist sonderbar -
sogar für die Gelehrten.
Denn einmal nur im ganzen Jahr
entdeckt man ihre Fährten.

 

Mit Fallen und mit Rattengift
kann man die Maus nicht fangen.
Sie ist, was diesen Punkt betrifft,
noch nie ins Garn gegangen.

Das ganze Jahr macht diese Maus
den Menschen keine Plage.
Doch plötzlich aus dem Loch heraus
kriecht sie am Weihnachtstage.

 

Zum Beispiel war vom Festgebäck,
das Mutter gut verborgen,
mit einem mal das Beste weg
am ersten Weihnachtsmorgen.

 

Da sagte jeder rundheraus:
Ich hab´ es nicht genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
die über Nacht gekommen.

 

Ein andres Mal verschwand sogar
das Marzipan von Peter;
Was seltsam und erstaunlich war.
Denn niemand fand es später.

 

Der Christian rief rundheraus:
ich hab es nicht genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
die über Nacht gekommen!

 

Ein drittes Mal verschwand vom Baum,
an dem die Kugeln hingen,
ein Weihnachtsmann aus Eierschaum
nebst andren leck`ren Dingen.

 

Die Nelly sagte rundheraus:
Ich habe nichts genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
die über Nacht gekommen!

 

Und Ernst und Hans und der Papa,
die riefen: welche Plage!
Die böse Maus ist wieder da
und just am Feiertage!

 

Nur Mutter sprach kein Klagewort.
Sie sagte unumwunden:
Sind erst die Süßigkeiten fort,
ist auch die Maus verschwunden!

 

Und wirklich wahr: Die Maus blieb weg,
sobald der Baum geleert war,
sobald das letzte Festgebäck
gegessen und verzehrt war.

 

Sagt jemand nun, bei ihm zu Haus,
- bei Fränzchen oder Lieschen -
da gäb es keine Weihnachtsmaus,
dann zweifle ich ein bißchen!

 

Doch sag ich nichts, was jemand kränkt!
Das könnte euch so passen!
Was man von Weihnachtsmäusen denkt,
bleibt jedem überlassen.

 

James Krüss

 

 

Der synthetische Mensch

 

Professor Bumke hat neulich Menschen erfunden,
die kosten zwar, laut Katalog, ziemlich viel Geld,
doch ihre Herstellung dauert nur sieben Stunden,
und außerdem kommen sie fix und fertig zur Welt!
 
Man darf dergleichen Vorteile nicht unterschätzen.
Professor Bumke hat mir das alles erklärt.
Und ich merkte schon nach den ersten Worten und Sätzen:
Die Bumkeschen Menschen sind das, was sie kosten, auch wert.
 
Sie werden mit Bärten oder mit Busen geboren,
mit allen Zubehörteilen, je nach Geschlecht.
Durch Kindheit und Jugend würde nur Zeit verloren,
meinte Professor Bumke. Und da hat er ja Recht.
 
Er sagte, wer einen Sohn, der Rechtsanwalt sei,
etwa benötige, brauche ihn nur zu bestellen.
Man liefre ihn, frei ab Fabrik, in des Vaters Kanzlei,
promoviert und vertraut mit den schwersten juristischen Fällen.
 
Man brauche nun nicht mehr zwanzig Jahre zu warten,
dass das Produkt einer unausgeschlafenen Nacht
auf dem Umweg über Wiege und Kindergarten
das Abitur und die übrigen Prüfungen macht.
 
Es sei ja auch denkbar, das Kind werde dumm oder krank.
Und sei für die Welt und die Eltern nicht recht zu verwenden.
Oder es sei musikalisch! Das gäbe nur Zank,
falls seine Eltern nichts von Musik verständen.
 
Nicht wahr, wer könne denn wirklich wissen, was später
aus einem anfangs ganz reizenden Kinde wird?
Bumke sagte, er liefre auch Töchter und Väter.
Und sein Verfahren habe sich selten geirrt.
 
Nächstens vergrößre er seine Menschenfabrik.
Schon heute liefre er zweihundertneunzehn Sorten.
Misslungene Aufträge nähm er natürlich zurück.
Die müssten dann nochmals durch die verschiedenen Retorten.
 
Ich sagte: Da sei noch ein Bruch in den Fertigartikeln,
in jenen Menschen aus Bumkes Geburtsinstitute.
Sie seien konstant und würden sich niemals entwickeln.
Da gab er zur Antwort: „Das ist ja grade das Gute!“
 
Ob ich tatsächlich vom Sichentwickeln was halte?
Professor Bumke sprach’s in gestrengem Ton.
Auf seiner Stirn entstand eine tiefe Falte.
Und dann bestellte ich mir einen vierzigjährigen Sohn. 

 

Erich Kästner

 

Karneval

 

Auch uns, in Ehren sei's gesagt,
Hat einst der Karneval behagt,
Besonders und zu allermeist
In einer Stadt, die München heißt.
Wie reizend fand man dazumal
Ein menschenwarmes Festlokal,
Wie fleißig wurde über Nacht
Das Glas gefüllt und leer gemacht,

Und gingen wir im Schnee nach Haus,
War grad die frühe Messe aus,
Dann können gleich die frömmsten Frau'n
Sich negativ an uns erbau'n.

Die Zeit verging, das Alter kam,
Wir wurden sittsam, wurden zahm.
Nun sehn wir zwar noch ziemlich gern
Die Sach' uns an, doch nur von fern
(Ein Auge zu, Mundwinkel schief)
Durchs umgekehrte Perspektiv.

 

W. Busch

 

Ich habe mich erkältet

 

Ich weiß dicht, was bit beider Dase ist-

da ist was dridd...

Doch sollte bich dies dicht hindern,

euch lieben Kindern

ein deutsches Lied zu singen-uns allen zum Gewidd-:

 

Barkig schallt der Ruf der deutschen Bannen:

"Heil deb großen Zeppelind!

Welcher butig flog von Dannen,

über alle Welten hiend!"

         Alle Menschen konnten ihn sehnd1

         Welch ein Phädöbeend-!

 

Donnen, Deger und Berliner Dutten

labten sich an seinemd Bild-

ohmb schrieben sie mit Underwoodn,

und sie aßen  Hubber, Lachs und Wild,

          sowie auch die leckre Barbelade-

          daß ich dicht dabei war, das war schade.

 

Eckners Namb´sollt man in Barbor ritzen,

auf  Zigarren, id ded Steid vom Dobido,

auf deb Präsidentenstuhle sollt er sitzen,

dafür neblich ist derselbe do.....

           Alle, alle kedden ihn ja do.......

            selbst Biss Babbitt und Frau Dathadsohnd

 

Kein Bobent kann dieser Ruhmb sich wandeln.

Darumb bache ich ihmb dies Gedicht.

Was ist in der Dase.....oder in den Bandeln......

Aber Gottseidank : ban berkt es dicht.

 

Kurt Tucholsky

 

 

Blindschl

Ich hatte einmal eine Liebschaft mit
Einer Blindschleiche angefangen;
Wir sind ein Stück Leben zusammen gegangen
Im ungleichen Schritt und Tritt.

Die Sache war ziemlich sentimental.
In einem feudalen Thüringer Tal
Fand ich – nein glaubte zu finden – einmal
Den ledernen Handgriff einer
Damenhandtasche. Es war aber keiner.

Ich nannte sie »Blindschi«. Sie nannte mich
Nach wenigen Tagen schon »Eicherich«
Und dann, denn sie war sehr gelehrig,
Verständlicher abgekürzt »Erich«.

Allmittags haben gemeinsam wir
Am gleichen Tische gegessen,
Sie Regenwürmer mit zwei Tropfen Bier,
Ich totere Delikatessen.

Sie opferte mir ihren zierlichen Schwanz.
Ich lehrte sie überwinden
Und Knoten schlagen und Spitzentanz,
Schluckdegen und Selbstbinder binden.

Sie war so appetitlich und nett.
Sie schlief Nacht über in meinem Bett
Als wie ein kühlender Schmuckreif am Hals,
Metallisch und doch so schön weichlich.
Und wenn ihr wirklich was schlimmstenfalls
Passierte, so war es nie reichlich.

Kein Sexuelles und keine Dressur.
Ich war ihr ein Freund und ein Lehrer,
Was keiner von meinen Bekannten erfuhr;
Wer mich besuchte, der sah sie nur
Auf meinem Schreibtisch steif neben der Uhr
Als bronzenen Briefbeschwerer.

Und Jahre vergingen. Dann schlief ich einmal
Mit Blindschi und träumte im Betti
(Jetzt werde ich wieder sentimental)
Gerade, ich äße Spaghetti.

Da kam es, daß irgendwas aus mir pfiff.
Mag sein, daß es fürchterlich krachte.
Fest steht, daß Blindschi erwachte
Und – sie, die sonst niemals nachts muckte –
Wild züngelte, daß ich nach ihr griff
Und sie, noch träumend, verschluckte.

Es gleich zu sagen: Sie ging nicht tot.
Sie ist mir wieder entwichen,
Ist in die Wälder geschlichen
Und sucht dort einsam ihr tägliches Brot.

Vorbei! Es wäre – ich bin doch nicht blind –
Vergebens, ihr nachzuschleichen.
Weil ihre Wege zu dunkel sind.
Weil wir einander nicht gleichen

 

Ringelnatz

 

 

Gigerlette

Fräulein Gigerlette
Lud mich ein zum Tee.
Ihre Toilette
War gestimmt auf Schnee;
Ganz wie Pierrette
War sie angetan.
Selbst ein Mönch, ich wette,
Sähe Gigerlette
Wohlgefällig an.

War ein rotes Zimmer,
Drin sie mich empfing,
Gelber Kerzenschimmer
In dem Raume hing.
Und sie war wie immer
Leben und Esprit.
Nie vergess ichs, nimmer:
Weinrot war das Zimmer,
Blütenweiß war sie.

Und im Trab mit Vieren
Fuhren wir zu zweit
In das Land spazieren,
Das heißt Heiterkeit.
Dass wir nicht verlieren
Zügel, Ziel und Lauf,
Saß bei dem Kutschieren
Mit den heißen Vieren
Amor hinten auf.

 

Otto Julius Bierbaum

 

 

Ich habe dich so lieb

 

Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.

Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.

Vorbei – verjährt –
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
Ist leise.

Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.

Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.

Ich habe dich so lieb.

 

Ringelnatz

 

 

Pensionierte Sittlichkeit

 

Es war einmal ein Auerhahn,
der hatte seine Pflicht getan,
acht Jahre lang und noch viel mehr,
dann ward der Dienst ihm etwas schwer.
Kein Ding auf Erden ewig dauert,
er hatte eben ausge-auert.
Nun ließ er seine Blicke schweifen
betrübt zu all den Ordensschleifen,
Diplomen und den Ehrenpreisen,
die er er-auert einst auf Reisen.
Was halfen ihm jetzt all die Prämien?
Er musst' sich vor den Hühnern schämien.
Kein Hafer und kein Sellerie
entlockte ihm ein Kikeriki.
Es klang jetzt wie ein heisres Quieken
sein einst so frohes Kikerikieken.
Und alle Hennen, alle Glucken,
die waren darob baß erschrucken.
So stand er traurig wie Pik sieben
im Kreise seiner Hühnerlieben.
Man hat den Enterich gebeten,
den Hahn einstweilen zu vertreten.
Was kümmert sich das Federvieh
um Sittlichkeit und Bigamie.
»Jawoll«, sprach stolz der Enterich.
»Die Kleinigkeit besorge ich.«
Am Zaun stand nun der Auerhahn
und sah voll tiefer Trauer an,
wie seine Hennen, seine Glucken,
ohn' mit der Wimper nur zu zucken,
im Gegenteil, noch mit Frohlucken,
sich von dem Entrich ließen ducken.

 

Fred Endrikat

 

Frühlings Ankunft

 

Grüner Schimmer spielet wieder
Drüben über Wies' und Feld.
Frohe Hoffnung senkt sich nieder
Auf die stumme trübe Welt.
Ja, nach langen Winterleiden
Kehrt der Frühling uns zurück,
Will die Welt in Freude kleiden,
Will uns bringen neues Glück.

Seht, ein Schmetterling als Bote
Zieht einher in Frühlingstracht,
Meldet uns, dass alles Tote
Nun zum Leben auferwacht.
Nur die Veilchen schüchtern wagen
Aufzuschau'n zum Sonnenschein;
Ist es doch, als ob sie fragen:
»Sollt' es denn schon Frühling sein?«

Seht, wie sich die Lerchen schwingen
In das blaue Himmelszelt!
Wie sie schwirren, wie sie singen
Über uns herab ins Feld!
Alles Leid entflieht auf Erden
Vor des Frühlings Freud' und Lust –
Nun, so soll's auch Frühling werden,
Frühling auch in unsrer Brust!

 

Hoffmann von Fallersleben

 

Das ist ein Abschied mit Standarten

aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Astern flaggt der Garten
und tausend Königskerzen glühn.

 

Das ist ein Abschied mit Posaunen,
mit Erntedank und Bauernball.
Kuhglockenläutend ziehn die braunen
und bunten Herden in den Stall.

 

Das ist ein Abschied mit Gerüchen
aus einer fast vergessenen Welt.
Mus und Gelee kocht in den Küchen.
Kartoffelfeuer qualmt im Feld.

 

Das ist ein Abschied mit Getümmel,
mit Huhn am Spieß und Bier im Krug.
Luftschaukeln möchten in den Himmel.
Doch sind sie wohl nicht fromm genug.

 

Die Stare gehen auf die Reise.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise.


Und was vorüber schien, beginnt.

 

Erich Kästner

 

Silvester

 

Dass bald das neue Jahr beginnt,

Spür ich nicht im geringsten.

Ich merke nur: Die Zeit verrinnt

Genauso wie zu Pfingsten,

 

Genau wie jährlich tausendmal.

Doch Volk will Griff und Daten.

Ich höre Rührung, Suff, Skandal,

Ich speise Hasenbraten.

 

Mit Cumberland, und vis-à-vis

Sitzt von den Krankenschwestern

Die sinnlichste. Ich kenne sie

Gut, wenn auch erst seit gestern.

 

Champagner drängt, lügt und spricht wahr.

Prosit, barmherzige Schwester!

Auf! In mein Bett! Und prost Neujahr!

Rasch! Prosit! Prost Silvester!

 

Die Zeit verrinnt. Die Spinne spinnt

In heimlichen Geweben.

Wenn heute nacht ein Jahr beginnt,

Beginnt ein neues Leben.

 

Ringelnatz

 

Das Meer im Frühling

 

 

Am Meer, welch eigen Frühlingsauferstehen!
Hier sprießt kein Veilchen, wogt kein Blütenduft;
Fern her der Wasservogel lockend ruft,
Die Wellen flüstern leis beim Windeswehen.

Erlösungsfreudig kommen sie und gehen,
Ihr frischer Odem füllet rings die Luft.
Und silbern schwebt es ob der nassen Gruft,
Wie zarte Schleier schöner Wasserfeen.

Dem Wandrer ist's, wie wenn zum Ufershang
Der Wind ein fernes, sanftes Läuten trage,
Sich mischend in der Meereswellen Sang.

Und sinnend denkt er nach der alten Sage.
Leis mahnet ihn Vinetas Glockenklang
An längst versunk'ne, schöne Frühlingstage.

 

 

Das Meer im Frühling

 

 

Am Meer, welch eigen Frühlingsauferstehen!
Hier sprießt kein Veilchen, wogt kein Blütenduft;
Fern her der Wasservogel lockend ruft,
Die Wellen flüstern leis beim Windeswehen.

Erlösungsfreudig kommen sie und gehen,
Ihr frischer Odem füllet rings die Luft.
Und silbern schwebt es ob der nassen Gruft,
Wie zarte Schleier schöner Wasserfeen.

Dem Wandrer ist's, wie wenn zum Ufershang
Der Wind ein fernes, sanftes Läuten trage,
Sich mischend in der Meereswellen Sang.

Und sinnend denkt er nach der alten Sage.
Leis mahnet ihn Vinetas Glockenklang
An längst versunk'ne, schöne Frühlingstage.

 

Stine Andresen

 

Der Einsame

Wer einsam ist, der hat es gut,
Weil keiner da, der ihm was tut.
Ihn stört in seinem Lustrevier
Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
Und niemand gibt ihm weise Lehren,
Die gut gemeint und bös zu hören.
Der Welt entronnen, geht er still
In Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
Bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
Drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
Kann er sich selbst die Hose flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
Um angenehm die Zeit zu töten,
Und laut und kräftig darf er prusten,
Und ohne Rücksicht darf er husten,
Und allgemach vergisst man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot,
Ich dachte längst, er wäre tot.
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
Lässt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
Wer einsam ist, der hat es gut.

 

W.Busch

 

 

Wassermuhmen

In dem See die Wassermuhmen
wollen ihr Vergnügen haben,
fangen Mädchen sich und Knaben,
machen Frösche draus und Blumen.

Wie die Blümlein zärtlich knicksen,
wie die Frösche zärtlich quaken,
wie sie flüstern, wie sie schnaken,
so was freut die alten Nixen.

 

Nochmal Busch

 

Freude

 

Die Freude wirft den Ball in die Luft,
hopst und macht lange Sprünge,
schnuppert gerne Rosenduft,
probiert, ob ihr dies und das gelinge.

Fröhlich schmettert sie ein Lied
aus voller, tiefer Brust,
umarmt und sagt: "Ich hab dich lieb",
hat einfach pure Daseinslust.

Wirft sich fröhlich dir entgegen,
fühlt sich niemals allein oder arm,
jubelt und lacht bei Sonne und Regen,
hat unwiderstehlichen Charme

Luftig, duftig wirbelt sie umher,
mit unglaublicher Liebe ist sie beschenkt.
Alles ist locker, nichts ist schwer,
Freude zu machen, die Freude gedenkt.

 

Irmgard Adomeit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

       

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

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